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Kein Herz aus Stein
Stellungnahme zur Nominierung Schmähpreis „Herz aus Stein“
In Reaktion auf die Nominierung für den Schmähpreis „Herz aus Stein“ des Vereins Ärzte gegen Tierversuche e.V. vom 27.02.2023 möchte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sabine Begall an der Universität Duisburg-Essen über ihre Arbeit an Graumullen aufklären.
Der Großteil unserer Graumulle (ca. 95 %) wird für nicht-belastende Verhaltensbeobachtungen eingesetzt, um die Verhaltens- und Sinnesanpassungen dieser Tiere an ihr unterirdisches Habitat verstehen zu lernen. Bei Studierenden sind die Tiere äußerst beliebt und kommen im Verhaltensbiologie-Praktikum oder für die Erstellung von Abschlussarbeiten regelmäßig zum Einsatz.
Graumulle stammen aus Afrika, wo sie südlich der Sahara weit verbreitet sind. Die Graumullhaltung der Universität Duisburg-Essen besteht bereits seit 1994 und die Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie ist für ihre Expertise in der Zucht und für ihre Forschungsarbeiten an diesen ungewöhnlichen Nagetieren international bekannt. Ähnlich wie Maulwürfe leben Graumulle streng unterirdisch in selbstgegrabenen Tunnelsystemen. Ihr Körperbau ist an diese spezielle Lebensweise hervorragend angepasst. Die stark reduzierten und stecknadelgroßen Augen können Formen und Bewegungen nicht gut auflösen und erlauben hauptsächlich die Unterscheidung zwischen Hell und Dunkel. In ihren Tunnelsystemen orientieren sich die Tiere nicht visuell, sondern nutzen unter anderem das Erdmagnetfeld, um sich zurecht zu finden.
In der von „Ärzte gegen Tierversuche“ kritisierten Studie unserer Arbeitsgruppe (Caspar etal., 2020) wurde eben dieser Magnetsinn beim sambischen Ansell-Graumull experimentell untersucht. Diese Art zeigt die angeborene Neigung, Nester in südöstlicher Ausrichtung zu bauen. Dieses Phänomen kann als Zeigeverhalten genutzt werden, um den Magnetsinn experimentell zu studieren. Bisher ist ungeklärt, welche(s) Organ(e) Magnetreize bei Tieren verarbeiten. Es gibt jedoch Hinweise für eine Beteiligung der Augen, die wir in der kritisierten Arbeit bekräftigen und so einen Beitrag zur Klärung dieser fundamentalen sinnesphysiologischen Frage leisten konnten. In der besagten Studie wurden insgesamt 26 Graumulle eingesetzt, denen die rudimentären Augen zuvor operativ entfernt wurden. Diese Mulle zeigten im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe, kein gerichtetes Nestbauverhalten. Zu verstehen, wie der Magnetsinn von Tieren arbeitet und sich auf deren Verhalten und Wohlbefinden auswirkt, ist ein fundamentales Problem von potentiell breiter Relevanz, beispielsweise für die Praxis der Nutz- und Labortierhaltung.
Bei Graumullen ist die Entnahme der 2 mm großen Augen ein unkomplizierter und schneller Eingriff, welcher in Vollnarkose durchgeführt wird. Die Tiere erhalten mehrere Tage lang ein Schmerzmittel; in dieser Zeit ist die Wunde abgeheilt. Im Rahmen der kritisierten Studie haben wir eine Auswahl verschiedener Verhaltensweisen vergleichend bei operierten und unbehandelten Tieren untersucht und keine signifikanten Unterschiede in ihrer Ausprägung feststellen können. Darüber hinaus konnten wir in den vergangenen 17 Jahren keinerlei Anzeichen für eine Beeinträchtigung des Tierwohls bei der täglichen Kontrolle unserer Graumulle feststellen. Die entsprechenden Tiere sind in ihren jeweiligen Sozialverbänden (von denen sie nie isoliert wurden) voll integriert, ziehen erfolgreich Nachwuchs auf und zeigen im Vergleich mit unbehandelten Mullen keine gesundheitlichen oder Verhaltensauffälligkeiten. Dass die operierten Tiere im Versuch überhaupt zuverlässig Nester bauten, ist ein weiterer Indikator dafür, dass ihr Wohlbefinden nicht eingeschränkt ist: Bei Nagetieren gilt ein gestörtes Nestbauverhalten als Hinweis auf Stress. Zusammengefasst lässt sich schlussfolgern, dass der Verlust der Augen das allgemeine Verhalten und Wohlbefinden der Graumulle nicht messbar beeinflusst, sehr wohl aber einen spezifischen Einfluss auf den Magnetsinn hat.
Selbstverständlich ist das auf die ungewöhnliche Biologie der Graumulle zurückzuführen, in der der Sehsinn weder für die Orientierung, noch für das Sozialverhalten von Relevanz ist.
Unsere Erfahrungen mit den operierten Graumullen lassen sich daher keinesfalls auf andereSäugetiere übertragen, bei denen die Entfernung der Augen fraglos einen schwerwiegenden Eingriff darstellt.
Im Folgenden möchten wir weitere Details zu den in der kritisierten Studie eingesetzten Tieren transparent machen (dies ist zuvor bereits im Methodenteil der besagten Arbeit geschehen, die öffentlich einsehbar ist):
Zwei Kohorten von Versuchstieren wurden in der Studie eingesetzt. Den Tieren der ersten Kohorte (n = 12 Tiere) wurde im Rahmen einer im Jahr 2007 publizierten Dissertation (Moritz, 2007) die Augen entfernt. Die Daten zur Magnetorientierung dieser 12 Tiere wurden bereits 2006 erhoben. Die Augenentnahme der Graumulle der zweiten Kohorte (n = 14) erfolgte ursprünglich für eine Studie, in der zur Rolle von Schilddrüsenhormonen bei der Ausbildung bestimmter Lichtsinneszellen (Photorezeptortypen) in der Netzhaut geforscht wurde (Henning et al., 2018). Graumulle haben eine natürliche Schilddrüsenunterfunktion und weisen Besonderheiten bei der Ausprägung und Verteilung ihrer Lichtsinneszellen auf, die auffällige Parallelen zu von Rot-Grün-Blindheit betroffenen Menschen zeigen. Diese Studie lieferte wichtige Erkenntnisse zu Konsequenzen einer Schilddrüsenunterfunktion für die Netzhaut von Säugetieren, mit direkter Relevanz für das Verständnis von Farbwahrnehmungsstörungen beim Menschen. Schätzungsweise 5% der deutschen Bevölkerung leiden an einer Schilddrüsenunterfunktion, wobei die Dunkelziffer noch höher ist.
Für die kritisierte Arbeit zur Magnetorientierung wurden daher also nur die Graumulle aus der angesprochenen Doktorarbeit von 2007 (Kohorte 1) operiert. Kohorte 2 wurde nicht für die Untersuchung des Magnetsinns enukleiert.
Uns ist wichtig zu betonen, dass alle Operationen von den entsprechenden Behörden (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz) genehmigt wurden. Die Tierversuchsanträge durchliefen ein strenges behördliches Genehmigungsverfahren und sind von den entsprechenden Kommissionen als ethisch vertretbar und mit dem Tierschutzgesetz konform gehend beurteilt worden. Von den insgesamt 30 operierten Tieren leben noch 7 Tiere bei uns in der Tierhaltung. Die anderen 23 Tiere sind in der Zwischenzeit eines natürlichen Todes gestorben, wobei ihre Lebensspannen nicht von denen unbehandelter Artgenossen abwichen.
Essen, 01. 03. 2023
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Sabine Begall, Gruppe Allgemeine Zoologie,
email: sabine.begall@uni-due.de
Referenzen
Caspar, K. R., Moldenhauer, K., Moritz, R. E., Němec, P., Malkemper, E. P., & Begall, S. (2020). Eyes are essential for magnetoreception in a mammal. Journal of the Royal Society Interface, 17(170), 20200513.
(https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rsif.2020.0513)
Henning, Y., Mladěnková, N., Burda, H., Szafranski, K., & Begall, S. (2018). Retinal S-opsin dominance in Ansell’s mole-rats (Fukomys anselli) is a consequence of naturally low serum thyroxine. Scientific Reports, 8(1), 4337.
(https://www.nature.com/articles/s41598-018-22705-y)
Moritz, R. (2007). Sensory ecology of electromagnetic radiation perception in subterranean mole-rats (Fukomys anselli & Fukomys kafuensis). Inaugural-Dissertation, Universität Duisburg-Essen. (http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/dissts/Duisburg/Moritz2007.pdf)

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